Bremen bewirbt sich bei der EU als „Smart City“. Doch was ist das überhaupt? Wie kann eine Stadt intelligenter werden und welche Konzepte gibt es bisher?

Schlaue Autos für schlaue Städte: Das DFKI in Bremen arbeitet am "Smart Connecting Car". Quelle: DFKI
Schlaue Autos für schlaue Städte: Das DFKI in Bremen arbeitet am „Smart Connecting Car“. Quelle: DFKI

Chris Christie galt bis vor wenigen Tagen als besonders aussichtsreicher Kandidat für den Gewinn der nächsten Präsidentschaftswahl in den USA. Der Gouverneur des Staats New Jersey droht aber nun darüber zu stolpern, dass seine Mitarbeiter das Gegenteil von dem geschaffen haben, was man eine „Smart City“ nennt – nämlich ein vier Tage währendes Verkehrschaos in einem Vorort von New York.

 

Der Begriff „Smart City“ wurde zunächst im Zusammenhang mit Mega-Metropolen wie Lagos, Bombay oder Mexiko-Stadt geschaffen: Sie wachsen so schnell, dass sie sich dringend schlauer organisieren müssen, um nicht zu kollabieren. Inzwischen versuchen aber weltweit auch die reicheren Regionen, intelligenter zu werden, denn massive Herausforderungen gibt es überall zu bewältigen. Klimawandel, Globalisierung und demografischer Wandel zählen zu den wichtigsten davon.

 

Viel Verbesserungspotenzial im Verkehr

 

In der Praxis versucht eine „Smart City“ vor allem, neue Informations- und Kommunikationstechnologien einzusetzen, um sich effizienter zu organisieren und die Lebensqualität zu erhöhen. Zu den beliebtesten Einsatzbereichen gehört der Verkehr. Hinlänglich bekannt sind ja die Verkehrslenkungssysteme, wie sie auf der A1 rund um Bremen aufgebaut sind und die Geschwindigkeitsbegrenzung senken, wenn Gefahr droht. Diese Systeme sind jedoch massiv ausbaufähig: Sie könnten vielfältige Sensoren und Satellitentechnologien nutzen, um Staus zu vermeiden, Abgas-Grenzwerte zu überwachen und Autofahrern den Weg zu freien Parkplätzen zu weisen – mit positiven Folgen für Mensch und Umwelt.

 

Welches Potenzial allein im Verkehrsbereich steckt, zeigt der Fall Christie, auch „Bridge-gate“ genannt. Seine Mitarbeiter haben tagelang eine wichtige Zufahrt zu einer Brücke nach New York City blockiert und damit bewusst ein heilloses Chaos herbeigeführt – und das, soviel man weiß, um sich an politischen Gegnern aus der betroffenen Kleinstadt zu rächen. Mit dem Automobilverkehr ist jedoch nicht zu spaßen, weder in den USA, noch in Deutschland, daher kann solch eine Aktion die Präsidentschaft kosten.

 

Wer es dagegen schafft, Staus zu vermeiden, kann sich sogar mit einer City-Maut beliebt machen. Stockholm hat es vorgeführt.

 

Die Metropolregion als „Smart Region“

 

An eine City-Maut traut man sich in Bremen noch nicht heran, zumal hier schon die Umweltzone für massive Proteste gesorgt hat. Dennoch will auch Bremen eine „intelligente Stadt“ werden, und Oldenburg hat sich ebenfalls bereits auf den Weg dahin gemacht. Die gesamte Metropolregion denkt darüber nach, sich zu einer „Smart Region“ zu vereinen.

 

Das Potenzial ist auf jeden Fall gegeben. Aus Bremen stammt beispielsweise schon ein erheblicher Anteil der europäischen Satellitentechnologie, die für Zwecke wie Navigation und Umweltmonitoring eingesetzt wird. Im Automobilbereich gibt es die großen Werke von Mercedes in Bremen und VW in Emden, aber auch rund 400 mittelständische Zulieferbetriebe und eine „Modellregion Elektromobilität“. In diesem Rahmen beteiligen sich bereits rund 90 Unternehmen (u.a. auch die Sparkasse Bremen) auch an einem gemeinsamen Flottenversuch mit Elektrofahrzeugen.

 

Schlaue Energieversorgung

 

Auch der Bereich der Erneuerbaren Energien soll Bestandteil einer „Smart Region“ werden, denn intelligent ist nur, wer nicht auf Dauer seinen eigenen Lebensraum zerstört. Im Nordwesten werden schon rund 50 Prozent des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt. Neue Technologien können helfen, diesen Anteil weiter zu erhöhen. So wird beispielsweise daran gearbeitet, Offshore-Windparks in der Nordsee bequem aus dem Büro in Bremen warten zu können. Dadurch müssten die Techniker weit seltener mit dem Boot oder dem Hubschrauber in die raue Nordsee geschickt werden.

 

Überseestadt als Modellstadtteil

 

Die Bremer Überseestadt könnte als Modellstadtteil zu einem zentralen Baustein der Bemühungen werden, insbesondere bezüglich neuer Verkehrskonzepte. Das Thema Elektromobilität kann hier besonders effektiv mit anderen Angeboten wie Carsharing und ÖPNV verknüpft werden.

 

„Die Überseestadt befindet sich noch in der Entwicklung – beste Voraussetzung, um neue Mobilitätskonzepte frühzeitig zu integrieren“, meint Holger Bruns, Pressesprecher des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen. So plant die BSAG im Stadtteil gerade eine neue Buslinie und die Brepark die Errichtung neuer Parkhäuser, in denen Ladestationen für Elektroautos installiert werden können. Das wiederum weckt überregionales Interesse und ist sowohl aus Sicht des Bundes als auch der EU attraktiv.

 

Antrag bei der EU geplant

 

Die EU-Kommission hat eine „European Smart Cities and Communities“-Initiative gestartet, mit der vorrangig neue Energie- und Verkehrskonzepte gefördert werden. Kürzlich waren Bremer Vertreter in Brüssel zu Gast, um erste Strukturen und Entwürfe zu „Smart City“-Konzepten vorzustellen. Die Ideen dafür sind in drei Arbeitsgruppen entstanden, die seit August 2013 regelmäßig zusammensitzen. Beteiligte sind unter anderem die BSAG, der Bremer Umweltsenator und verschiedene Bremer Unternehmen.

 

Bis zum Frühjahr kann die Bewerbung bei der EU eingereicht werden – Mitte des Jahres wird entschieden, welche Städte mit den zur Verfügung stehenden 10 Millionen Euro gefördert werden. Bremen kann sich damit auf jeden Fall gute Hoffnungen machen, wieder ein bisschen intelligenter zu werden – im Vergleich mit dem Büro von New Jerseys Gouverneur Christie dürfte die Hansestadt bereits jetzt die Nase deutlich vorn haben.

 

[Update 13.10.2014] Leider ist der Antrag, den Bremen gemeinsam mit der schwedischen Stadt Malmö gestellt hat, abgelehnt worden:

Grund für die negative Entscheidung sei, dass der zuständigen EU-Kommission der „rote Faden“ gefehlt habe. Außerdem habe sie die unklare Rollenverteilung zwischen den Projektpartnern kritisiert.

heißt es im Weser-Kurier. [Ende Update]


Mehr aus " Campus Life" zur Startseite