Eine kleine Einführung für Neubremer in eine Tradition, die den feuchten norddeutschen Winter etwas erträglicher macht…

Belohnung am Ende eines langen Marschs: Das traditionelle regionale Gericht "Kohl und Pinkel". Foto: Gabriele Rohde/Fotolia
Belohnung am Ende eines langen Marschs: Das traditionelle regionale Gericht „Kohl und Pinkel“.
Foto: Gabriele Rohde/Fotolia

Mit dem ersten Frost beginnt in Bremen die Grünkohlsaison – dazu gehört im Norden traditionell auch eine feierliche Kohlfahrt, bei der die Buten- und Binnenbremer häufig unter erschwerten Wetterbedingungen durch Stadt oder Land wandern. Für Zugezogene ist dieses Ritual nicht immer auf Anhieb zu verstehen – darum erfahrt Ihr hier, was es mit diesem über 100 Jahre alten Brauch auf sich hat, was zu einer gelungenen Kohltour dazugehört und warum sich selbst Erwachsene bei diesem Ereignis wie auf einem Kindergeburtstag fühlen.

Der Weg ist das Ziel

Zwischen November und März sind sie fast jedes Wochenende im Nordwesten zu entdecken: Menschen, die mit einem Schnapsglas um den Hals und einem bunten Bollerwagen ausgestattet mal mehr, mal weniger lautstark durch die Stadt wandern. Bei einer Kohltour ist der Weg das Ziel. Am Ende wartet als Belohnung allerdings auch noch das traditionelle Grünkohlessen auf die Teilnehmer – und dafür sollte man ordentlich Kohldampf mitbringen.

Um ihn ohne Bitterstoffe genießen zu können, wurde Grünkohl früher nach dem ersten Herbstfrost geerntet und im Winter verzehrt – seitdem wird dieses Ereignis von Niedersachsen und Bremen bis nach Skandinavien mit einer Kohlfahrt gefeiert.

Traditionell ist der Bollerwagen dabei mit Musik und Kohlfahrts-Utensilien wie Likören, Schnäpsen, Bränden, Sauren und Glühwein ausgestattet sowie mit Kohlblättern und bunten Ballons geschmückt, um anderen Passanten zu signalisieren: Achtung, Kohlfahrt. An jeder Wegeskreuzung wird gemeinsam getrunken – schließlich muss der klirrenden Kälte vorgebeugt und der Magen auf das deftige Essen vorbereitet werden.

Höhepunkt der Kohltour: die Gruppenspiele

Die ungeschriebenen Kohltour-Gesetze sehen vor, dass sich die Teilnehmer zwischen der Wanderung die Zeit mit Kindergeburtstag-anmutenden Spielen wie Teebeutel-Weitwurf oder Eierlauf vertreiben – der Höhepunkt der Veranstaltung. Hier eine kleine Auswahl an Belustigungen:

Teebeutel-Weitwurf: Zunächst wird der Teebeutel solange in Wasser getränkt, bis er vollgesogen ist. Dann nehmen die Teilnehmer das Band in den Mund und versuchen mit verschränkten Armen den Teebeutel möglichst weit weg zu schleudern. Derjenige, der am weitesten wirft, hat gewonnen.
Eierlaufen: Die Teilnehmer müssen sich an einer Startlinie aufstellen und einen Esslöffelstiel in den Mund nehmen. Wer es am schnellsten schafft, das darauf liegende hart gekochte Ei zum Ziel zu bringen, hat gewonnen – ohne Herunterfallen, versteht sich.
Nudeln einfädeln: Bei diesem Spiel werden Paare gebildet, die jeweils eine Spaghetti und eine Makkaroni an einem Ende der Nudel in den Mund nehmen. Nun versucht jedes Paar so schnell wie möglich, Spaghetti und Makkaroni zusammenzuführen – gewonnen hat, wer es als Erstes schafft, die Spaghetti in die Makkaroni zu stecken.
Stadt-Land-Fluss: Ganz ambitionierte Teilnehmer versuchen sich an dem Quizspiel, bei dem zunächst ein Buchstabe ausgewählt wird, dem jede Gruppe eine passende Stadt, einen Beruf oder einen ähnlichen Begriff zuordnet – nach dem einen oder anderen Likör ein durchaus schwieriges Unterfangen.

Wer wird Kohlkönig?

Wer es durch Spiele und Kälte geschafft hat, den erwartet als Abschluss der Kohltour das traditionelle Grünkohlessen. Typisch bremisch gibt es zum Grünkohl die berühmte „Pinkel“: Dabei handelt es sich um eine herzhafte Grützwurst, die mit Kassler oder Speck ergänzt wird.

Mit ausreichend Essen und Trinken versorgt, wartet auf die Teilnehmer ein weiterer Höhepunkt: die Wahl des Kohlkönigpaares. Die Kriterien und die Wahl grenzen eher an Willkür und so sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Das Kohlkönigpaar darf beim nächsten Mal Route, Spiele und Organisation der Tour übernehmen, inklusive Kohl, Pinkel und Regenwetter – wie es in Bremen eben zusammengehört.

 

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