Es gibt eine gute Nachricht: Mit dem Prokrastinieren ist niemand allein. Und es gibt sogar noch eine bessere Nachricht! Man kann dieses Verhalten – gemeint ist das Aufschieben von wichtigen Aufgaben, indem man andere Dinge oder gar nichts tut – auch für sich und seinen Erfolg verwenden. Ist das Ziel realistisch? Viele Prokrastinierer übersehen die […]

Mit Prokrastination zum Erfolg
So ordentlich sind viele Regale nur, wenn der Inhaber eigentlich dringendere Arbeiten zu erledigen hätte als aufzuräumen.

Es gibt eine gute Nachricht: Mit dem Prokrastinieren ist niemand allein. Und es gibt sogar noch eine bessere Nachricht! Man kann dieses Verhalten – gemeint ist das Aufschieben von wichtigen Aufgaben, indem man andere Dinge oder gar nichts tut – auch für sich und seinen Erfolg verwenden.

Ist das Ziel realistisch?
Viele Prokrastinierer übersehen die Frage, ob das gesetzte Ziel vielleicht einfach unrealistisch ist. Wissenschaftliche Prozesse brauchen ja bekanntlich Zeit und eine Hausarbeit ist eben nicht an einem Tag geschrieben – so schön das auch wäre. Setzt die Prokrastination (laut Wikipedia: lateinisch für „Vertagung“, Zusammensetzung aus pro „für“ und cras „morgen“) ein, kann das womöglich aber auch als ein Signal interpretiert werden, dass ein Ziel zu groß ist. Man weiß schlicht und ergreifend nicht, wo man anfangen soll, und lässt es deswegen lieber gleich ganz bleiben.

Wundersam aufgeräumter Schreibtisch
Vorher-nachher: Wie durch ein Wunder räumt sich so mancher Schreibtisch fast von ganz allein auf, wenn man eigentlich lernen wollte.

Aufschieben als intelligente Reaktion
Das Verhalten lässt sich aber auch als natürliche Übersprungshandlung verbuchen. Es spricht sogar für Intelligenz, eine Handlung oder Entscheidung nicht halsüberkopf, sondern mit einer gewissen Vorlaufzeit anzugehen. Klingt, als wenn hier das Prokrastinieren schön geredet wird? Dann empfiehlt sich ein Blick in das Buch „Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin“ von Kathrin Passig und Sascha Lobo.

Die Berliner Autoren schreiben nämlich  in ihrem Anti-Ratgeber: „Das Aufschieben hat eine psychische Pufferfunktion, die den steilen Berg Aufgaben, der sich vor einem auftürmt, vielleicht nicht bezwingbar, aber immerhin umgehbar erscheinen lässt.“ Darüber hinaus lässt sich auch die wirtschaftswissenschaftliche Vorstellung des stets Nutzen maximierenden Menschen heranziehen. Prokrastination wird dann zu einer ökonomischen Methode.

Selbstdisziplin ist eine Kettensäge
„Selbstdisziplin ist eine Kettensäge: Man kann mit ihr ganze Wälder voller Bäume fällen, sich aber auch nebenbei ein Bein amputieren“, heißt es bei Lobo und Passig. Übersetzt heißt das soviel wie: Der Druck muss raus. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass unter Druck kein Flow entsteht. Viele Studierende meinen beispielsweise unter Zeitdruck besser und effektiver arbeiten zu können. Aber dabei wird der Spaß an der Sache leider vollkommen außer Acht gelassen.

Die Frage nach dem Warum
Man sollte sich vor allem erstmal daran erinnern, warum man eigentlich das tut, was man tut. Sprich: Warum habe ich beispielsweise dieses Studienfach gewählt? Steht dabei unterm Strich „Eigenmotivation“, ist alles halb so schlimm. Schon die Erinnerung daran, dass man ein Fach studiert, weil man darin gut ist und weil man dazu Lust hat, nimmt erheblich den Druck.

Dennoch gilt auch hier die Regel, sich vor allem auf das zu konzentrieren, was man kann. Dann geht einem das gesamte Studium nämlich auch einfacher von der Hand. Ist man besser bei Referaten als beim Schreiben von Hausarbeiten, sollte man seine nötigen Credit-Points eben über das Halten von Referaten sammeln. Kann man sich besser schriftlich ausdrücken, dann heißt es eben, den Fokus darauf zu legen.

Ordnung muss sein
Auch die Bücher stehen nach einem geplanten Lerntag sauber im Regal. Reingeschaut hat man allerdings kaum.

Eigenmotivation macht erfolgreich
Erfolgreich ist demnach also vor allem diejenige Person, die tut, was sie tun möchte. Nur dann ist sie wirklich gut, weil Motivation nicht mit Selbstdisziplin verwechselt wird. In dem Moment, in dem man meint, sich selbst zu etwas disziplinieren zu müssen, sollte sofort gefragt werden, ob hier die Eigenmotivation fehlt. Ist dem so, dann empfiehlt es sich eventuell, das abzubrechen, was man tut. Im Extremfall stellt man dann vielleicht sogar fest, dass man sein Studienfach aus irgendwelchen zweitrangigen Gründen ausgewählt hat, aber nicht aus Interesse an der Materie. Das Prokrastinieren kann also auch in solch schwierigen Entscheidungen als ein erster Anstoß zur Veränderung verstanden werden.

Bloß nicht überbewerten
Natürlich sollen nicht alle Studierenden ihr Studium abbrechen, sobald sie sich mal beim Prokrastinieren ertappen. Letztlich ist das bei den meisten immer noch eine natürliche Reaktion, die vor allem auch ein bisschen mit Humor genommen werden sollte. Wem das nicht gelingt oder wer das Aufschieben von Aufgaben als so schlimm empfindet, dass Körper und Psyche darunter extrem leiden, dem sei ein Gang zu entsprechende Hilfeeinrichtungen (z. B. die Psychologisch Therapeutische Beratungsstelle der Uni Bremen => www.studentenwerk.bremen.de/files/main_info/ptb/ptb_info/ptb_info.htm) ans Herz gelegt. Neben der Tatsache, dass man sich hier mal Luft machen kann, gibt es auch lernunterstützende Angebote.

Anregung
Apropos „Methoden“: Vielleicht ließe sich mal der Versuch starten, Prioritätenlisten umzudrehen. Wenn man laut einer Liste dann am allerdringendsten die Küche putzen muss und die Uniarbeit auf einem der letzten To-Do-Posten erscheint, wer weiß … vielleicht schreibt sich dann so eine Hausarbeit doch von ganz allein. Nur muss man dann eben mit dem Dreck in der Küche leben lernen …

Empfohlene Links zum Prokrastinieren:
Morgen ist ja auch noch ein Tag (u.a. geeignete Videos zum Prokrastinieren):
www.unifiliale.de/morgen-ist-ja-auch-noch-ein-tag-2
Strukturiertes Prokrastinieren (zum Seilspringen mit Seetang kommt man einfach zu selten):
www.structuredprocrastination.com/index.php
Aufschieben ist auch arbeiten, sagt sogar die ehrenwerte „Zeit“:
www.zeit.de/campus/2008/04/aufschieben-report

Fotos: Rike Oehlerking


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