Tradition vs. Moderne aus Glas und Stahl? Bitte nicht beim Heiraten dachte man sich in Bremen. Das sanierte Standesamt in der Hollerallee kann sich aber trotz aller Sparzwänge sehen lassen…

Bremen muss sparen, das ist bekannt – aber an manchen Punkten verstehen die Bürgerinnen und Bürger dann doch keinen Spaß mehr. Zum Beispiel, wenn es ums Heiraten geht. Als vor einigen Jahren der Plan bekannt wurde, das traditionsreiche Standesamt in der Hollerallee aus Kostengründen aufzugeben und stattdessen einen Neubau in der Überseestadt zu beziehen, hagelte es Proteste. Mit Erfolg: Seit diesem Frühjahr können Paare sich wieder in der alten Villa trauen lassen – ohne, dass es durch die Decke regnet.

Das Gebäude, das um das Jahr 1900 herum errichtet wurde, hatte auch ohne diese Querelen schon eine lebhafte Geschichte vorzuweisen. Errichtet wurde es im Auftrag des Bremer Kaufmanns Alfred Hoffmann, der bis zum Jahre 1921 dort lebte. Anschließend zog der Bankier Johann Friedrich Schröder ein. Nach dessen Tod im Jahr 1933 krallte sich die NSDAP das hübsche Gebäude – ohne Miete zu zahlen, wie überliefert wird – und nutzte es als Kreiszentrale.

 

„Selten so eine traurige Behörde gesehen“

Auch der britischen Armee gefiel die Architektur. Nach dem Krieg richtete sie sich hier gemütlich ein, ehe im Jahr 1949 schließlich das Standesamt einzog. Dabei blieb es dann auch, aber ohne den ständigen Wechsel vergaß man offenbar, ab und zu ein paar Mark in den Erhalt der Substanz zu investieren, denn 60 Jahre später war die Villa nur noch eine Ruine. In Kombination mit dem Personalnotstand ergab sich ein desolates Bild: Innensenator Ulrich Mäurer sagte, er habe „selten so eine traurige Behörde gesehen“.

Die Sanierung sollte 5,5 Millionen Euro kosten – zu viel für das Haushaltsnotlageland. Also wurde der Plan gefasst, stattdessen in der Überseestadt, die ja insbesondere in der jungen Kreativszene angesagt ist, einen Neubau zu errichten.

Es zeigte sich allerdings, im Nachhinein vielleicht wenig überraschend, dass beim Heiraten immer noch die Tradition eine übergeordnete Rolle spielt. Ein Neubau aus Glas und Stahl passt da nicht ins Bild. Architekten lehnten sich ebenso gegen diesen Plan auf wie zahlreiche Bürger und – natürlich – die Opposition in der Bürgerschaft.

 

Bausünden gleich mit behoben

Also wurde noch einmal nachgerechnet. Auf 3,5 Millionen Euro konnten die Kosten gedrückt werden, indem man sich alle Extras verkniff – zum Beispiel eine Klimaanlage im Trauraum, ein modernes Archiv im Keller und eine Neuordnung der Räume im Obergeschoss. Einiges konnte aber nicht gestrichen werden: ein behindertengerechter Zugang ist nun ebenso vorhanden wie eine neue, brandgeschützte Treppe.

Trotz allen Sparzwangs kann sich das Ergebnis auch sehen lassen. Das Büro Schulze Pampus Architekten hat die Aufgabe mit sehr viel Hingabe ausgeführt und sehr viel von der alten Bausubstanz erhalten. Die eine oder andere Bau- und Einrichtungssünde aus dem vergangenen Jahrhundert wurde dabei gleich mit behoben, um wieder ein weitgehend authentisches Ambiente zu schaffen.

Den allermeisten Besuchern gefällt’s. Hochzeiten können nun jedenfalls wieder in guter Tradition gefeiert werden – ein bisschen plüschig vielleicht, aber ehrwürdig-kaufmännisch in einem sanierten Baudenkmal, dem viele Bremerinnen und Bremer sehr emotional verbunden sind.

  • Außenansicht während des Umbaus im Winter.Außenansicht während des Umbaus im Winter.
  • Architekt Martin Pampus (rechts) führt eine Gruppe von Besuchern durch das Trauzimmer.Architekt Martin Pampus (rechts) führt eine Gruppe von Besuchern durch das Trauzimmer.
  • Blick vom Obergeschoss ins sanierte Treppenhaus.Blick vom Obergeschoss ins sanierte Treppenhaus.

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