Unser Redaktionsmitglied Johannes Gutzmann hat den Sprung vom Praktikum in die Berufswelt geschafft und erzählt seinen Weg von der Uni zur Sparkasse Bremen.
Solange unser Studium andauert, läuft alles wie von selbst. Vorlesung, Übung, Pabo-Anmeldung und Prüfungstermin, wir folgen dem vorgegebenen Weg. Doch wenn die Bachelorarbeit näher kommt, folgt ihr die Frage nach dem beruflichen Werdegang auf dem Fuße.
Seit acht Uhr sitze ich an meinen Arbeitsplatz und beginne gerade, an einem Strategiepapier zu schreiben, welches die Kapitalmarktausrichtung der Bank für die nächsten fünf Jahre beschreiben soll. Meine Aufgabe ist es, die Entwicklung der wichtigsten Kennzahlen dieser Strategie über die letzten fünf Jahre herauszusuchen und sinnvoll in den Text zu integrieren.
Nach dem Abitur habe ich den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen gewählt, weil ich mich nicht entscheiden konnte, was mich mehr interessiert – Technik oder Wirtschaft. Erst durch das intensive Lesen wirtschaftswissenschaftlicher Literatur während des Studiums (F. Hayek, H. Hazlitt oder L. Mises) habe ich mich entschieden, diesen Weg weiterzugehen und habe zusätzliche Kurse in den Finanz- und Wirtschaftswissenschaften belegt.
Durch die finanzielle Schieflage, in der sich Studenten naturgemäß ständig befinden, kam ich schnell auf den Gedanken, mir eine Beschäftigung zu suchen. Das war allerdings schon im zweiten Semester, sodass ich kaum mehr an Kenntnissen vorzuweisen hatte, als noch als Abiturient. Nichtsdestotrotz bekam ich eine „StuMi“-Stelle an einem Forschungsinstitut, wo ich als Datenbankprogrammierer für das Controlling und Risikomanagement tätig war – die nötigen Datenbankkenntnisse musste ich mir aber noch aneignen und so war das erste Jahr eine „Learning-by-Doing“-Beschäftigung für mich. Allerdings hat sich dabei auch gezeigt, dass es sich durchaus auszahlen kann, mutig auf die Ansprechpartner zuzugehen und sich selbst „zu verkaufen“.
Mittlerweile ist mein Kollege aus einem wichtigen Business-Meeting zurückgekommen und fragt mich nach der Anrechnungsmöglichkeit eines Eigenkapitalinstrumentes, welches wir vor dem Hintergrund einer neuen Bankenregulierungsmaßnahme namens Basel-3 auflegen mussten.
Weil ich mich so gerne mit Fragen dieser Art beschäftige, habe ich im fünften Semester das Fach „Corporate Finance“ bei Dr. Staroßom, Vorstandsmitglied der Sparkasse Bremen, besucht. Bei der Gelegenheit habe ich ihn gleich gefragt, ob ich in seinem Fachgebiet ein Praktikum machen könnte. Die Antwort war positiv, also habe ich mich beworben und wurde gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, statt in der Unternehmensfinanzierung, in der Gesamtbanksteuerung zu arbeiten. Damals vollkommen ahnungslos, was das war, habe ich natürlich ohne Zögern zugesagt.
Für alle, die sich ebenso für diese Thematik begeistern können wie ich: Die Abteilung Gesamtbanksteuerung betrachtet die Bank aus der Vogelperspektive, genauer gesagt, die Entwicklung der wichtigsten Zahlen, Erfolge, Risiken, Gewinne und Lasten und steuert diese.
Mein Aufgabenbereich ist das Risikomanagement. Hier geht es um die Messung und Überwachung der Risiken, die durch den Geschäftsbetrieb der Bank entstehen. Risiken können in einer Bank – wie in jedem anderen Unternehmen – auf unterschiedliche Weise entstehen. Dem operationellen Risiko, welches durch technische und personelle Unzulänglichkeiten entsteht, kann sich niemand entziehen. Das Adressenausfallrisiko – also die Gefahr, dass Kreditnehmer ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, ist schon eher Bank-typisch. Noch komplizierter wird es bei Marktpreis- und Liquiditätsrisiken, welche mit teilweise sehr komplexen statistischen Modellen gemessen werden.
Diese Risiken werden kategorisiert, gemessen und es wird festgestellt, ob sie tragbar sind, d.h. ob bei einem angenommenen Extremfall die Bank noch weiter bestehen kann. Risiko in einer gewissen Höhe muss natürlich immer eingegangen werden, damit die Bank genug Ertrag erwirtschaftet, um für die Kunden da zu sein. Nur noch Kredite an Top-Schuldner zu geben, ist zwar sehr risikoarm, doch die Erträge wären so verschwindend gering, dass sich ein solches Geschäftsmodell nicht lange rechnen würde. Die Fragestellung nach der richtigen Balance aus Risiko und Ertrag spielt in unserer Abteilung die zentrale Rolle.
Während der spannenden Zeit des Studiums, in der uns mittlerweile diverse Türen offen stehen, fragt man sich zwangsläufig, ob man auf dem richtigen Weg ist. „Will ich das eigentlich? Will ich wirklich in einem Büro hoch über der Welt arbeiten und Zahlen und Grafiken anschauen? Ich meine, ich könnte ja auch acht Stunden am Tag Baumaschinen und LKW konstruieren, ich könnte auch – wie mein Bruder – in einem Orchester die Welt bereisen und jeden Abend in einem Konzerthaus in Sydney, Tokio oder London Händels Wassermusik spielen.“ Die Frage nach dem richtigen Weg, dem richtigen Beruf stellt man sich zwar schon als kleines Kind sehr regelmäßig, doch erst mit dem Studium bekommt sie eine gewisse Ernsthaftigkeit.
Seit Beginn des Praktikums hatte sich für mich herausgestellt, dass es genau das ist, was ich die nächsten Jahre machen will. Deswegen sitze ich heute – fünf Monate nach Ende meines Praktikums – auch immer noch in demselben Büro, beobachte in Denkpausen den Straßenverkehr auf der Brill-Kreuzung und verbringe viel Zeit in Excel und Access. Manchmal muss man erst in viele Bereiche hineinschnuppern und sich immer wieder selbst in Frage stellen um endlich dort zu landen, wo man hingehört. Auch ein gewisses Maß an Risiko gehört dazu, denn bei den meisten Entscheidungen kann man deren Tragweite nicht vorhersagen. Doch mit Engagement und offenen Augen gelangt jeder ans Ziel.