Satellitentechnologie kann die Planung der Radtour erleichtern. Mit Hilfe der Wirtschaftsförderung Bremen wird derzeit in Lettland ein System für Radfahrer mit dem europäischen Satellitensystem Copernicus erprobt.
Radtouren durch unbekannte Regionen sind oft mit Überraschungen verbunden – das ist Teil ihres Reizes. Auf manche Erkenntnis würde man aber gerne verzichten: Beispielsweise, dass eine Straße über keinen Radweg verfügt, dafür aber über viel Lkw-Verkehr. Auch im bekannten Terrain droht Ungemach: die Gewitterfront zieht gerne dort auf, wo man am weitesten von einem geeigneten Schutz entfernt ist.
Wer in der Region Ventspils (Lettland) auf’s Rad steigt, muss in Zukunft wahrscheinlich keine unangenehmen Überraschungen mehr fürchten. Dort wird – mit kleinem Anschub aus Bremen – an einem Informationssystem für Radfahrer gebastelt, das keine Wünsche mehr offen lässt. Die Routenberechnung soll dort nicht nur umfassend über Steigungen und Beschaffenheit der Radwege Auskunft geben, sondern z.B. auch über das Wetter und die Luftverschmutzung an verschiedenen Punkten entlang der Strecke.
Durch die vielfältigen Informationen kann am Ende auch die Fahrtzeit präziser vorhergesagt werden. Und wer will, soll zusätzlich den Kalorienverbrauch berechnen können.
„Copernicus“ macht’s möglich
Viele dieser Funktionen werden durch die Kombination der bekannten elektronischen Landkarten mit Anwendungen des Satellitensystems „Copernicus“ ermöglicht. Dabei handelt es sich um Europas Antwort auf das amerikanische „Global Positioning System“ (GPS). Copernicus besteht aus einer wachsenden Zahl an Satelliten, die der Erdbeobachtung dienen, und sammelt vielfältige Daten für Klimaschutz, Überwachung der Meeresumwelt, Katastrophenmanagement und Sicherheitszwecke.
Die meisten gesammelten Daten stehen auch der Bevölkerung und der Wirtschaft zur Verfügung. Zahlreiche Anwendungen sind denkbar, angefangen bei der klassischen Wettervorhersage und der Verkehrsleitung bis hin zum detailliert abgestimmten Rettungseinsatz in Katastrophengebieten oder zur Entdeckung von Umweltsündern auf hoher See. Eine Studie aus dem Jahr 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass Copernicus auf diese Weise bis zum Jahr 2030 mehr als 80.000 neue Arbeitsplätze in Europa ermöglichen werde.
Wie war nochmal die Frage…?
Viele Nutzungsformen werden sich aber erst im Laufe der Zeit entwickeln, denn die jetzt verfügbaren Daten sind noch ein völlig neuer „Rohstoff“. Es gibt praktisch schon die Antworten, nur die Fragen werden noch gesucht.
In diesem Sinne ist auch die Fahrradtourismus-Idee von Ventspils entstanden: Mit Hilfe von Raumfahrtexperten aus Bremen und Finnland richtete die Wirtschaftsförderung der lettischen Stadt einen Workshop aus, in dem Akteure aus unterschiedlichen Fachbereichen zusammengebracht wurden, darunter auch Studierende. Am Ende kristallisierte sich das Projekt heraus, das nun von der örtlichen Tourismusorganisation weiter vorangetrieben werden soll.
Dass – im Rahmen eines EU-Projekts – Experten aus Bremen involviert waren, liegt an der örtlichen Kompetenz im Raumfahrtbereich. Hiesige Unternehmen sind direkt an der Technologieentwicklung der verschiedenen Copernicus-Elemente beteiligt. Aber auch auf der Anwendungsseite wird gearbeitet. Das Know-how dafür ist unter anderem in der örtlichen Niederlassung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vorhanden, aber auch auf Seiten der Wirtschaftsförderung (WFB) sieht man großes Potenzial in diesem Bereich. Überlegt wird nun, wie auch kleine und mittlere Unternehmen stärker von Copernicus profitieren können.
Viele Daten kostenlos verfügbar
Nach den positiven Erfahrungen in Lettland plant die WFB, in Kürze auch in Bremen einen Workshop auszurichten. Ort, Zeit und genaue Zielgruppe stehen noch nicht fest, aber es soll in der „Innovationswerkstatt“ wieder darum gehen, konkrete Lösungen vorzubereiten. „Das muss keine touristische Anwendung sein, sondern kann zum Beispiel auch ein Computerspiel oder eine Logistik-Lösung sein“, erklärt Jesús Zepeda Juárez von der WFB.
Wer Ideen hat, kann Copernicus aber auch auf eigene Faust für sich erschließen – das Potenzial für spannende Existenzgründungen sollte vorhanden sein. Viele Daten sind kostenlos, andere müssen erworben werden. Die genauen Prozesse für die Nutzung haben sich noch nicht eingespielt, da das System und die Organisation dahinter noch jung sind. Umfassende Informationen und Ansprechpartner sind jedoch unter www.d-gmes.de zu finden. Für Auskünfte steht auch Daniela Grewe von der WFB zur Verfügung. Kontakt: Tel. 0421 9600-340, daniela.grewe@wfb-bremen.de.