Studieren zwischen Orient und Okzident: Bei dem Wetter könnte man sich schlimmeres vorstellen als Istanbul, oder? Feuke erzählt wie’s bei ihr gelaufen ist.

Die Metropole am Bosporus ist seit mehr als zwei Jahrtausenden eines der wichtigsten Handelszentren der Welt. Foto: Rike Oehlerking
Die Metropole am Bosporus ist seit mehr als zwei Jahrtausenden eines der wichtigsten Handelszentren der Welt. Foto: Rike Oehlerking

Kultureller Schmelztiegel, Weltmetropole, einzige Stadt der Welt, die auf zwei Kontinenten angesiedelt ist – es gibt Tausend Gründe, Istanbul zu besuchen. Wer die viertgrößte Stadt der Welt nicht nur aus der Touristen-Perspektive kennenlernen will, der kommt einfach für länger und dringt als Studierender in die Tiefen der Stadt ein.

Immer mehr Gaststudierende aus aller Welt zieht es bereits zum Auslandssemester nach Istanbul. Auch Feuke Janssen ist im August 2014 angereist und absolviert an der Universität Istanbul ein Semester an der Fakultät für Geisteswissenschaften. „In der Türkei beginnt das Semester schon im September und endet Ende Januar“, erklärt die 27-Jährige.

Als wichtiger Umschlagplatz von Gütern aus aller Welt und Handelsort von Land- und Wasserwegen ist die Metropole seit jeher geprägt von einer spannenden Mischung vieler unterschiedlicher Völker und Kulturen. Hier leben nicht nur Moslems. Es gibt auch große Gemeinden von Juden und Christen sowie Arabern, Romas und Armeniern entlang der Ufer des Bosporus und des Goldenen Horns – dem zweiten wichtigen Wasserweg.

Genau das macht Istanbul als Studienort auch so attraktiv. Es gibt sieben staatliche Universitäten, die Fächer von A wie Architektur bis Z wie Zahnmedizin anbieten. Dazu kommen zahlreiche Privat-Unis. Feuke hat den Weg nach Istanbul über ihre Uni in Hamburg genommen. „Ich wollte gerne in die Türkei, um die türkische Kultur besser kennenzulernen und Einblick in die Sprache zu bekommen. Ich finde es wichtig, etwas über die türkische und auch islamische Kultur zu lernen, weil in Deutschland viele türkischstämmige Menschen leben. Ich hoffe, dass mir meine Erfahrungen auch in meinem späteren Lehrerberuf helfen.“

 

Über Erasmus an den Bosporus

Auch von Bremen lässt sich der Weg über die Bildungsstätte nehmen. Die hiesige Uni hat gleich vier Partnerunis am Bosporus und zwei weitere in Izmir. Je nach Studienfach lässt sich über diese internationalen Kooperationen ein Auslandssemester arrangieren. Vereinfacht wird der Weg zu einem Auslandssemester durch ein Austauschprogramm. Feuke hat sich bei Erasmus beworben und bekommt über das EU-Programm inhaltliche und finanzielle Unterstützung.

Außerdem hat sie vorher einen Sprachkurs absolviert. „Der hat zwar ohne die Sprachpraxis nicht wirklich viel bewirkt, aber immerhin konnte ich so etwas besser abschätzen, was auf mich zukommt“, erinnert sie sich. „Türkisch funktioniert völlig anders als das Deutsche. Das hat mich noch mehr bestärkt es zu lernen. Es ist sehr spannend.“

In Feukes Fall werden die Kurse allerdings auf Deutsch gehalten, da sie am Institut für Germanistik studiert und Veranstaltungen am Zentrum für Deutschlehrer besucht. Ansonsten sei das Studieren in der Türkei aber ziemlich anders als in Deutschland. „Es ist sehr viel verschulter. Wir müssen zum Beispiel regelmäßig Hausaufgaben abgeben und es werden zwei Klausuren pro Fach und Semester geschrieben“, erklärt Feuke. Sie empfinde die Strukturen außerdem als sehr viel hierarchischer. „Die Dozenten werden regelrecht verehrt. Es gibt sogar einen internationalen Tag des Lehrers am 24. November, an dem die Studierenden ihren Lehrern Geschenke machen.“

Die Teilnahme an einem Erasmus-Programm hat den Vorteil, dass sich darüber schnell Kontakte knüpfen lassen. „Man hält sich in recht internationalen Kreisen auf“, betont auch Feuke. Sie selbst wollte gerne vor allem das authentische türkische Leben kennenlernen und belegte lieber einen Porzellanmalerei-Kurs an der VHS als zu den Erasmus-Partys zu gehen. Außerdem zog sie nicht in ein Studentenwohnheim oder eine der Erasmuswohnungen, sondern mietete ein Zimmer in einer zweiköpfigen WG mit einem türkischen Mitbewohner im Stadtteil Besiktaş auf der europäischen Seite. Dort musste sie zwar überraschend im Dezember wieder ausziehen, aber das gehört ihrer Meinung nach eben auch dazu. In der Türkei gebe es keine Kündigungsfrist. Bis zum Semesterabschluss wird sie in einer Wohnung auf der asiatischen Seite der Stadt unterkommen.

Das geht nur in Istanbul: Feuke Janssen kann beim Lernen immer mal den Blick über den Bosporus schweifen lassen. Foto: Feuke Janssen
Das geht nur in Istanbul: Feuke Janssen kann beim Lernen immer mal den Blick über den Bosporus schweifen lassen. Foto: Feuke Janssen

 

Inspirierend und nervenaufreibend

Bei einer Stadt mit gut 15 Millionen Einwohnern bleiben lange Wege natürlich nicht aus. Darauf muss man sich als temporärer Istanbul-Bewohner ebenso gefasst machen wie auf die Menschenmassen. Feuke findet das „rege Treiben“ gleichermaßen „wunderbar anregend und inspirierend, aber auch ganz schön nervenaufreibend“. Der Verkehr sei ziemlich anstrengend und Sport wie Joggen würde einem auch nicht gerade leicht gemacht. „Ich laufe oft am Bosporus, wo ich teilweise auf einer dreispurigen Straße unterwegs bin.“

Aber Feuke sagt auch, diese Negativaspekte nehme sie gerne in Kauf. Schließlich würde sie an anderen Stellen voll auf ihre Kosten kommen. „Ein Abend mit türkischem Essen und reichlich Rakı ist köstlich und die islamische Kultur sehr interessant. Besonders weil man mit Vorurteilen aufräumen kann, die oft in westlichen Kulturkreisen kursieren.“

Wer ebenfalls den Schritt nach Istanbul für ein oder zwei Semester gehen will, dem empfiehlt Feuke, sich vorher in die Kultur einzulesen und sich im Klaren zu sein, dass das Uni-System verschulter ist. Sprachbarrieren könne man meist mit Händen und Füßen lösen. Was die kulturellen Unterschiede angeht, muss man wohl selbst seine Erfahrungen machen. Aber Feuke rät, sich nicht allzu oft in der Öffentlichkeit die Nase zu schnäuzen. „Ich bin deswegen einmal fast aus einer Teestube geflogen“, berichtet sie.

So aufregend ein Auslandssemester in Istanbul auch sein mag, eines ist sicher: Am Ende wird man mit einer ganzen Menge Erfahrungen im Gepäck wieder zurückkehren und vieles in deutschen Kulturkreisen mit anderen Augen sehen.

Weitere Informationen findet Ihr hier:

Universität Bremen

http://www.uni-bremen.de/international.html

http://www.uni-bremen.de/international/wege-ins-ausland/studieren-im-ausland/erasmus.html

http://www.kultur.uni-bremen.de/de/studium/ma-transkulturelle-studien/double-degree-istanbul.html

Die Universität Bremen und die Hochschule Bremen richten einmal jährlich im vierten Quartal die Türkeiwoche aus, im Rahmen derer auch über Studienmöglichkeiten in Istanbul und der Türkei informiert wird. Infos unter www.td-win.de

Über Erasmus

https://eu.daad.de/de/

Türkisch-Deutsche Universität

Im Wintersemester 2013/14 ist in ausgesuchten Fächern der Lehrbetrieb der ersten staatlichen Türkisch-Deutsche Universität aufgenommen worden. Mehr Infos gibt es unter www.tau.edu.tr

 

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