Die Landwirtschaft in Bremen wird auch in den dichter besiedelten Kernbereichen aktiv gestaltet. Stichwort: „Urban Farming“. Doch was steckt genau dahinter?

Nicht immer normenkonform, dafür aber meistens schmackhafter: Gemüse von der „urban farm“. Foto: studiobeerhorst-bbmarie/Flickr

„Bremen ist ein Dorf“, behaupten Zugezogene aus größeren Metropolen gerne mal, und in mancherlei Hinsicht mag das stimmen. Hier hat man beispielsweise nicht nur das Gefühl, dass jeder jeden kennt, sondern es gibt – wie in jedem guten Dorf – auch eine erstaunliche Zahl an landwirtschaftlichen Betrieben. Mehr als 150 Unternehmen betreiben Ackerbau und Viehzucht in der Hansestadt, wobei sie
rund 10.000 Rinder durch die Gassen treiben (bildlich gesprochen), nebst 250 Schafen und 200 Schweinen. Der eher vegetarisch orientierte Bremer Landwirt entscheidet sich dagegen meist für Weizen oder Mais als Anbaupflanze.

 

Relativ neu ist, dass die Landwirtschaft aktiv gestaltet wird, um die Lebensqualität in der Stadt zu erhöhen – und zwar auch in den dichter besiedelten Kernbereichen. So leistet das „Urban Farming“ nicht nur einen Beitrag zur gesunden und umweltfreundlichen Ernährung, sondern unterstützt auch die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Durch den kürzlich erfolgten Beitritt zur „Charta Weideland Norddeutschland“ verpflichtet sich das Bundesland Bremen außerdem, Kühen ihre artgerechten Outdoor-Aktivitäten zu ermöglichen, was nebenbei auch der Artenvielfalt zugutekommt.

 

Kürbisse und Zucchini von der „Werft“

 

Das sozial-integrative Urban-Farming-Projekt „Gemüsewerft“ der gemeinnützigen Gesellschaft für integrative Beschäftigung mbH erzeugt mitten in der Großstadt Gemüse, Kräuter und Obst. Seit Juni wird die innerstädtische Anbaufläche der Gemüsewerft um ein 2.600 Quadratmeter großes Gelände in der Bremer Überseestadt ergänzt. „Gemüsewerft Dock II“ ist eines der Projekte der „BioStadt Bremen“.

 

Auf der ehemaligen Industriebrache südlich des Europahafenbeckens werden in Hochbeeten Kürbisse, Zucchini, Karotten, Kartoffeln, Bohnen und Erbsen nach den Prinzipien des ökologischen und biologischen Landbaus erzeugt. Die umweltschonenden Produkte werden in der betriebsinternen Gastronomie, dem Café Brand, und weiteren Bremer Lokalen wie dem Canova in der Kunsthalle genutzt. Als weitere Besonderheit produziert die Gemüsewerft die beliebten Craft-Bier-Aromahopfensorten Cascade, Centennial und Chinook für die Bremer Braumanufaktur.

 

Pilzzucht im Bunker

 

Das bereits zuvor in Betrieb genommene „Dock I“ liegt nur 200 Meter entfernt vom Hafenbecken ‚F‘ des Bremer Industriehafens in der Basdahler Straße. Das Gelände, auf dem sich früher die Villa des Verwaltungsdirektors der Werft „AG Weser“ befand, beheimatet auch einen Bunker. „Unser Tiefbunker ist einer dieser letzten Zeugen des 2. Weltkriegs und mit unserer Pilzzucht führen wir das Gebäude seinem neuen, nunmehr pazifistischen Nutzen zu“, erklärt das Team der Gemüsewerft auf seiner Website.

 

Urban hergestellte Lebensmittel mit dem Ziel der innerstädtischen Selbstversorgung sind ein ehrgeiziges Unterfangen und bundesweit bislang kaum zu finden. Die Gemüsewerft verfolgt das Ziel, Erzeugnisse direkt am Verbrauchsort herzustellen und so einen Beitrag zur städtischen Ernährungswirtschaft zu leisten.

 

Beschäftigung für Menschen mit Behinderungen

 

Darüber hinaus bietet das Projekt niedrigschwellige Beschäftigungsmöglichkeiten für nicht erwerbsfähige Menschen an. „Unsere KollegInnen arbeiten Seite an Seite mit allen anderen freiwilligen urbanen GärtnerInnen“, betont die Betriebsleitung. „Im Rahmen unseres Aktion-Mensch-Vorhabens (2015-2017) und zusammen mit unseren Partnern soll es Menschen mit Behinderung ermöglicht werden, durch die Mitarbeit in Gemeinschaftsgärten an der Gesellschaft zu partizipieren.“

 

Weitere Informationen zur Gemüsewerft gibt es unter www.gemuesewerft.de und auf der lebhaften Facebook-Seite des Betriebs.

 

Glückliche Kühe sind gut für den Naturschutz

 

Moderne Landwirtschaft hilft nicht nur den Menschen, sondern auch den Tieren. Umweltsenator Joachim Lohse hat daher Anfang Dezember die Charta „Weideland Norddeutschland“ unterzeichnet – Bremen wird dadurch Mitglied einer Gemeinschaft, die sich für den Erhalt der Weidehaltung und des Grünlands einsetzt. Die Landwirtschaftskammer Bremen sowie die Umweltverbände BUND und NABU haben sich ebenfalls der Charta angeschlossen.

 

Lohse betonte: „Weidehaltung ist absolut sinnvoll, denn sie dient dem Tierwohl, hilft Grünland zu erhalten, trägt zur Artenvielfalt bei und schafft Anreize für die Vermarktung von Weidemilchprodukten.“

 

Martin Rode, Geschäftsführer des BUND Bremen, unterzeichnete die Charta, weil das für die nordwestdeutsche Landschaft prägende Grünland stark von der Weidehaltung von Rindern, Pferden und Schafen abhängig ist. „Weideland in Bremen zu erhalten, trägt zu einem guten Nutzungsmix von Weide und Wiese und damit zur Stärkung der Artenvielfalt im Bremer Feuchtwiesenring bei“, erklärte er. „Zur Weidenutzung braucht es die Bauern, die für ihre Produkte einen fairen Preis bekommen müssen. Deshalb ist der BUND dabei.“

 

Zum Mitmachen: Urban Gardening

 

Wer selbst aktiv werden möchte, findet in Bremen verschiedene Angebote zum Einstieg in das „Urban Gardening“. Die Projekte sind meist selbstorganisiert, unterstützen den nachhaltigen Konsum und beleben brachliegende Flächen. Eine Übersicht über aktuelle Initiativen gibt es unter www.bremen.de/urban-gardening-bremen.

 

Die UniFiliale auf FacebookWie gesund ernährt ihr euch? Verratet es uns auf Facebook.

 


Mehr aus " Campus Life" zur Startseite