Wir waren beim Bremer Repair Café: Egal ob Klamotten, Elektronik oder Fahrräder… Im Kampf gegen die Wegwerfgesellschaft wird hier gerettet, was noch zu retten ist.

Reifen flicken, Träger annähen, PCs aufschrauben – in Deutschland gibt es über 100 Repair Cafés. Das Prinzip: Freiwillige Experten reparieren gemeinsam mit den Besuchern Räder, Laptops oder Kleidung und schenken so manchem Lieblingsstück damit ein zweites Leben. Studierende der Uni Bremen haben im Rahmen eines Praxisseminars nun auch ein Repair Café in der Hansestadt organisiert und wollen damit ein Zeichen gegen die weit verbreitete Wegwerfmentalität setzen.

 

Reparieren ist aus der Mode gekommen

 

Als meine schwarzen heißgeliebten Boots, die mich treu durch den letzten Winter begleitet hatten, erste Verschleißerscheinungen aufwiesen, dachte ich noch: „Klar, die reparierst du!“ War es der Mangel an Wissen oder bloße Faulheit? Ich weiß es nicht, aber Fakt ist: Am Ende versauerten die Boots im Schrank und machten den Weg frei für ein neues Paar. Dabei waren sie gerade so schön eingelaufen …

 

Leider ist das Reparieren bei vielen Menschen aus der Mode gekommen und sie schmeißen Dinge weg, an denen sie eigentlich hängen. „Hinter den Repair Cafés steckt eine Recyclingidee: Reparieren statt wegschmeißen“, sagt Franzi. Gemeinsam mit elf anderen Studierenden der Uni Bremen hat sie im Rahmen eines Praxisseminars Anfang Juli das zweite Repair Café in der Hansestadt organisiert. In Werkstattatmosphäre sollen in geselliger Runde Schuhe, Toaster, Spielzeug und andere Alltagsgegenstände repariert werden.

 

  • Beim Repair Café werden in Werkstattatmosphäre Alltagsgegenstände wieder in Schuss gebracht.
  • Gerade Elektronik gehe heute deutlich schneller kaputt als noch vor ein paar Jahren, berichtet Initiatorin Sigrid Kannengießer von der Uni Bremen.
  • Die Zweiradmechaniker Johnny (auf dem Foto) und Olli schenken beim Repair Café so manchem Drahtesel ein zweites Leben.
  • Studentin Julia hat sich ein paar Sommertops mitgebracht, um in geselliger Runde ein paar Näharbeiten zu erledigen. „Zuhause schiebt man sowas immer vor sich hin.“
  • Ein besonders kniffliger Fall: Die Glasflasche im Trinkwassersprudler von Roland und Esther ist explodiert. Experte Jonas schraubt und probiert…
  • …bis das Bremer Pärchen wieder einen funktionsfähigen „Sodastream“ hat – aber eine Menge Scherben entsorgen darf.
  • Student David hat seine geliebten Vans mit Hilfe einer Nähexpertin geflickt. „Irgendwie hänge ich an den Schuhen.“

Wissen weitergeben durch gemeinsames Reparieren

 

Vor der Tür steht Sarah: Seit einem Monat fährt ihr Rad nur noch im dritten Gang. „Ganz schön anstrengend“, klagt sie. Sie ist skeptisch, ob ihr Rad noch zu retten ist. Zweiradmechanikermeister Olli ist zuversichtlich: „Bloß nicht neu kaufen“, sagt er und legt ein paar Handgriffe an. Er hat heute schon rund zehn Drahteseln ein zweites Leben geschenkt. So ganz will Sarahs Fahrrad allerdings nicht mehr: „Es reicht noch für ein Zweitrad“, sind sich beide einig.

 

An der Eingangstür treffe ich David: Der Bremer Student brachte zur ersten Veranstaltung im Juni seine reperaturbedürftigen Vans mit und flickte sie mit Hilfe einer Nähexpertin. „Ich hänge irgendwie an den Schuhen. Außerdem habe ich nicht soviel Geld, dass ich mir andauernd neue kaufen könnte.“ David saß das letzte Mal vor zehn Jahren an der Nähmaschine – nun hat er heile Schuhe und könnte ein kaputtes Paar beim nächsten Mal vielleicht selbst reparieren.

 

„Neben dem Nachhaltigkeitsgedanken steht beim Repair Café der Lerneffekt im Vordergrund: Die Experten vor Ort geben ihr Wissen weiter und bauen so Hemmschwellen bei den Besuchern ab“, erklärt Sigrid Kannengießer von der Uni Bremen, die die Veranstaltung mit ihren Studierenden von vorne bis hinten geplant hat. „Die Leute haben viele kaputte Sachen, die sie nicht wegschmeißen wollen – sei es aus Geldgründen oder um der Wegwerfgesellschaft zu trotzen.“ Auch der soziale Aspekt sei nicht zu vernachlässigen: „Über das gemeinsame Reparieren kommen die Menschen ins Gespräch.“

 

Die explodierte Glasflasche – ein kniffliger Fall

 

Studentin Julia hat es sich am Nähtisch bequem gemacht und ist gerade dabei, die Träger ihres Sommertops zu verkürzen. Hilfe braucht die Enkelin einer Schneiderin dabei nicht, sie ist wegen der Gesellschaft gekommen. „Zuhause bleiben solchen Kleinarbeiten doch gerne mal liegen“, gibt sie zu. „Hier sitzen noch andere und nähen, da habe ich auch mehr Lust.“

 

Am Elektronik-Tisch hat sich eine Schlange gebildet, die Besucher werden in Wartelisten eingetragen. Einen besonders kniffligen Fall haben Roland und Esther mitgebracht: Während des Betriebs ist ihnen die Glasflasche des „Sodastreams“ explodiert – nun geht das Gerät nicht mehr auf. Experte Jonas gibt sich alle Mühe, schraubt und probiert solange, bis das Bremer Pärchen schließlich einen Haufen Scherben entsorgen darf – dafür ist der Trinkwassersprudler wieder funktionsfähig.

 

„Gerade im Bereich Elektronik gehen die Sachen deutlich schneller kaputt als früher“, berichtet auch Sigrid Kannengießer. Die Leute verstünden jedoch, „dass es Unsinn ist, sich alle zwei Jahres etwas Neues zu kaufen“. Derzeit gibt es zwar noch keinen festen Termin, doch die Initiatoren sind optimistisch, dass das Repair Café auch nach Ende des studentischen Seminars weitergeführt werden kann.


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